Eine Veranstaltung des Literarischen Zentrums und des Max-Planck-Gymnasiums für Schüler/innen des 6. und 7. Jahrgangs.
„Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag.“ Dieses „Menschenrecht des Kindes“ stammt von dem jüdischen Arzt und Pädagogen Janusz Korczak. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, einer Zeit, in der Kinder autoritär erzogen wurden und sich den Erwachsenen unterzuordnen hatten, formulierte Korczak geradezu revolutionäre Gedanken:
Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist.
Das Recht des Kindes, ernst genommen zu werden.
Das Recht des Kindes auf seinen eigenen Tod.
Mit diesem letzten Recht kritisierte Korsczak übermäßige Einengung und Verbote, welche Kinder vor Gefahren schützen sollten, aber ihre Entfaltung hemmen. Er malte sich jedoch gewiss nicht aus, wie es den Kindern seines Waisenhauses Dom Sierot ergehen würde, die er im August 1942 vom Warschauer Ghetto nach Treblinka in den Vernichtungstod begleitete.
Adam Jaromir, der in Polen geborene und in Hannover lebende Verleger und Autor, hat zusammen mit der polnischen Künstlerin Gabriela Cichowska aus Bildern und Textbruchstücken ein Buch verfasst, das dem Leben im Ghetto während der letzten Monate vor der Deportation nach Treblinka nachspürt. Obwohl das Waisenhaus nach dem Abtransport seiner Bewohner abgerissen wurde, überlebten Tagebücher und andere Schriftstücke in Metallkisten. Diese Zeitzeugnisse fanden ihren Weg in Jaromirs Buch und vermitteln zusammen mit Cichowas düsteren, feinsinnigen Bildern, welches Leid die Warschauer Kinder erdulden mussten und wie sie es erträglicher zu machen versuchten.
Schon vor der Errichtung des Warschauer Ghettos hat Korsczak ein Waisenhaus mit 100 Kindern geleitet, doch sieht er sich nach dem Umzug ins Ghetto einem fortwährend wachsenden Heer elternloser Kinder gegenüber, denen er nicht helfen kann. Tägliche Bettelgänge gehören ebenso zum Tag des einstmals hoch geachteten Arztes wie seine weiteren Bemühungen, die nunmehr über 200 Heimkinder am Leben zu erhalten. Die Erzieherin Fräulein Esther hilft ihm dabei, und sie ist es, die mit ihren Schützlingen ein Theaterstück einübt und aufführt: Rabindranath Tagores Stück Das Postamt handelt von einem indischen Jungen, der das Haus nicht verlassen darf, weil er krank ist. Nur von den am Fenster vorbeikommenden Leuten erfährt er etwas über die Abenteuer in der Welt.
Das gemeinsame Einüben dieses Stücks mit seinen exotischen Figuren und Orten lässt die Entbehrungen des öden Waisenhaus-Alltags trotz der Parallelen zum eigenen Schicksal verblassen.
Das letzte Bild in Jaromirs Buch zeigt den Schlafsaal der Kinder: Durch die offene Tür fällt Licht auf ihre leeren Betten.