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„Lernen, was ein echter Deutscher ist“

Pöblern und Populisten Paroli bieten – Hasnain Kazim am MPG

Eine Veranstaltung mit dem Literarischen Zentrum

Am 30. September kam der Journalist und Buch-Autor Hasnain Kazim ins MPG und sprach mit Schüler*innen des 13. Jahrgangs über das Thema „Hass im Internet“. Er erzählte zunächst von sich, und dabei fiel eines sofort auf: Menschen lassen sich nicht auf einen Nenner reduzieren. Kazims Werdegang zeugt von unterschiedlichsten Erfahrungen und vermutlich sind sie es, die zu einem ebenso unkonventionellen wie überzeugenden Umgang mit der verrohenden Kommunikation im Internet führen.

Geboren als Sohn indisch-pakistanischer Eltern in Oldenburg und aufgewachsen im Alten Land; seit 2019 deutscher Buchautor in Wien; Studium und Offiziers-Dienst bei der Bundeswehr in Hamburg, später journalistische Tätigkeit beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel; Adressat rassistischer Hasstiraden, doch offener Gesprächspartner auch für die, die ihn angreifen – unbequem, scharfzüngig, ironisch – warmherzig, mitfühlend, ernsthaft. Vor allem aber sehr mutig.

Der Umgang mit Wutbotschaften

Diese letzte Eigenschaft zeichnet den freundlichen und zart wirkenden Kazim vielleicht am meisten aus. Er steht auf fünf Todeslisten rechtextremistischer Gruppierungen und lässt sich das Wort nicht verbieten. Lesungen sind mitunter nur mit Personenschutz möglich, und trotzdem macht er unermüdlich weiter. Es ist ihm wichtig, darüber zu sprechen, wie er mit den Einschüchterungsversuchen und Drohungen umgeht, mit den Wutbotschaften, die er erhält, seit er als Siebzehnjähriger seinen ersten Zeitungsartikel verfasst hat. Durch die Möglichkeiten, die das Internet bietet, hat die Zahl drastisch zugenommen: Sein Buch Post von Karlheinz zeige, so Kazim, nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was jährlich an Hassmails bei ihm eingehe. Das Buch stellt eine Sammlung von E-Mails dar, Konversationen zwischen Kazim und denen, die ihn angreifen. Es ist das Ergebnis seiner Entscheidung, die Mails nicht einfach wortlos zur Kenntnis zu nehmen oder zu ignorieren, sein Entschluss, die Absender nicht davonkommen zu lassen.

 

Ein echter Deutscher

Wie zum Beispiel Karlheinz S. Der bezeichnete Kazim als „Schmierfink“, der „antideutsch“ denke und ihn, Karlheinz, einmal besuchen solle, um zu lernen, „was ein echter Deutscher“ sei. Kazims Umgang mit der Beleidigung überraschte und unterhielt seine Zuhörerschaft. So antwortete er, er komme gern mit der Großfamilie, unter anderem dreien seiner Ehefrauen –

 

die vierte könne nicht, sie liege gerade mit dem sechsten gemeinsamen Kind im Kreissaal – bei Karlheinz vorbei, um mit ihm Advent zu feiern und zu erfahren, was ein „echter Deutscher“ sei. Davon war offenbar auch Karlheinz (der immerhin anständig genug gewesen war, seine Adresse anzugeben) überrascht, wie der Fortgang der Korrespondenz beweist.

 

Grenzen des Dialogs

Die Schüler*innen beeindruckten Kazims Werdegang, seine Wehrhaftigkeit und sein schwarzer Humor. Die Hartnäckigkeit und die Leidenschaft, mit der er sich für einen zivilisierten Dialog einsetzt, hoben sie im Nachgespräch besonders hervor, denn immer wieder ruft er dazu auf, „Paroli zu bieten“, wie etwa in seinem Buch Auf sie mit Gebrüll! von 2020. Allerdings zeigte er bei seinem Besuch auch Grenzen auf. Mit jemandem vernünftig zu reden, der ihm sage, er solle dahin zurückgehen, wo er herkomme, falle ihm schwer, und es gebe Beleidigungen, die seiner Ansicht nach Antworten auf dem gleichen Niveau einforderten. Das sei dann eben „Kommunikation auf Augenhöhe“. Dass es nicht die eine Empfehlung zum Umgang mit Hassbotschaften gebe, betonte Kazim am Ende des Gesprächs. Manchmal sei es wichtig, etwas zu erwidern, einzuschreiten, wenn jemand beleidigt werde, in manchen Situationen sei es klüger, einen Angriff zu ignorieren oder, um sich selbst zu schützen, zu schweigen.