Bericht eines Sechstklässlers
Es musste eines Tages so kommen: Unsere ganze Klasse fiel letzte Woche während des Englischunterrichts ins Koma! Dass Grammatikregeln wie ein Narkosemittel wirken können, ist seit langem bekannt, doch unsere Englischlehrerin trieb es auf die Spitze. Um ca. 9.43 Uhr, kurz nach der Begrüßung, begann Frau N. mit den Regeln zur Pluralbildung. Um das Ganze anschaulich zu machen, malte sie lebensechte Schäfchen an die Tafel. Wir durften zählen – one sheep, two sheep und so weiter – und Frau N. malte und malte. Offenbar bemerkte sie nicht, wie es hinter ihrem Rücken immer stiller wurde. Die anderen und mich ergriff eine ungeheure Müdigkeit, ein Schlafdrang, dem selbst der größte Grammatik-Fan nicht widerstehen konnte. Beim 45. Schaf drehte Frau N. sich um, wie sie später berichtete, und erstarrte angesichts des Anblicks, der sich ihr bot: 30 Kinder lagen wie erschlagen auf ihren Tischen! Vorsichtiges und heftigeres Schütteln wirkten offenbar ebenso wenig wie ein Wechsel zum future. Der Kollege aus dem Nachbarraum, der wegen der ungewöhnlichen Stille nach dem Rechten sehen wollte, wusste auch keinen Rat. Beide Lehrkräfte hofften inständig auf ein Wunder, als die Pausenglocke ertönte. Die schaffte es tatsächlich, uns zu wecken! Wir alle hatten das Gefühl, eine besonders interessante Englischstunde erlebt zu haben. Das sah der Schulleiter allerdings anders. Er war der Ansicht, Frau N. könnte in Sachen Grammatik noch einen Zahn zulegen und verordnete gleich eine Fortbildung für die gesamte Fachgruppe. Zum Glück ist alles glimpflich ausgegangen. Das Beste an der Sache war, dass wir nach der vierten Stunde nach Hause gehen durften!