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,,Als eigentliche Heimat sehe ich immer noch Schlesien an.“

Am Montag, dem 06. Juli 2015, besuchte der Historiker Dr. Horst Kuss uns, den Geschichtsleistungskurs von Herrn Heere als Zeitzeuge. Es ging um Flucht und Vertreibung im Kontext des zweiten Weltkrieges.

1936 in Bad Kudowa, Niederschlesien geboren, erlebte Herr Kuss eine glückliche, vom Kriegsgeschehen weitgehend unberührte Kindheit. Erst ab dem Herbst 1944 sei der Krieg mit der Roten Armee nach Schlesien gekommen. Doch wider Erwarten habe man die Sowjettruppen nicht primär als Gefahr angesehen, sondern man habe sich mit ihnen arrangiert und sie hätten sogar einen Schutz dargestellt. An Flucht habe die Familie überhaupt nicht gedacht. Als allerdings polnische Siedler von der damaligen Regierung Polens nach Schlesien geschickt wurden, habe es von einer jungen Polin geheißen: ,,So, das Haus gehört mir, ihr müsst hier sofort raus!“ Also mussten sie gehen. In die sowjetische Besatzungszone Deutschlands wollte man auf keinen Fall einwandern und so konnten der damals neunjährige Horst Kuss mit Mutter und Tante dank einer tschechischen Cousine nach Tschechien einreisen. Dort seien sie aber in ein Internierungslager gebracht worden und hätten auf einem Bauernhof Zwangsarbeit verrichten müssen. Nach und nach seien aber Inhaftierte freigelassen worden und 1949 sei ihnen die Einreise über Bayern zu Verwandten nach Wolfsburg gestattet worden.

In Wolfsburg ging Horst Kuss in die 7. Klasse des Gymnasiums und habe sich dort in sieben Jahren seiner Jugend niemals fremd gefühlt. Sein schlesischer Dialekt sei in diesen sieben Jahren abgeschliffen worden. Die Integration der Vertriebenen in Wolfsburg schätzt er als erfolgreich ein, obwohl man nicht so willkommen gewesen sei. Hilfreich sei es gewesen, dass es in der Schule mehr Vertriebenenkinder gab als sogenannte Einheimische. Die Währungsreform habe außerdem alle gleich gemacht, niemand habe wesentlich mehr als der Nachbar besessen.

Zur aktuellen Flüchtlingspolitik sagt Dr. Kuss: ,,C'est très difficile.“ Er betrachtet den derzeitigen Flüchtlingsstrom nach Europa als zu groß, als dass man ihm mit dem Asylrecht noch gerecht werden könne. Da eine Entscheidung zu treffen, wen man in Europa aufnimmt, sei das eigentliche Problem.

Eine Zeitzeugenbefragung verlebendigt die im Unterricht behandelten historischen Zusammenhänge und ruft uns die Aktualität, Relevanz sowie den Realitätsbezug des Gelernten in Erinnerung. Herr Dr. Kuss konnte uns – wahrscheinlich auch aufgrund seiner Tätigkeit als Historiker – seine Geschichte noch wirklicher vor Augen führen, indem er ihre Etappen immer wieder in den größeren historischen Kontext einordnete.

Wir danken Herrn Dr. Kuss sehr für seinen Besuch in unserem Geschichtskurs und den Mut, uns von seinem persönlichen Erleben der Vertreibung während der Nachkriegszeit zu berichten.